Wenn einer Laterne ein Licht aufgeht- muss sie ziemlich „schlau sein“; Smart wie der anglophile sagen würde.
Heutzutage ist so ziemlich alles smart- vom Toaster über den Fernseher bis zum Lichtschalter- was ja auch durchaus sinnvoll sein kann- lässt sich so doch nicht nur der Komfort verbessern, sondern auch der Stromverbrauch senken.
Aber warum jetzt ausgerechnet eine „Smarte Laterne“?
Diese Frage stellt sich eigentlich nur, da den wenigsten bewusst sein dürfte, welche gigantischen Energiemengen konventionelle Straßenbeleuchtung verbraucht- ist diese doch meist die ganze Nacht eingeschaltet- und das unabhängig davon, ob jemand vorbeikommt oder nicht.
Derzeit gibt es in Europa über 90 Millionen Straßenlaternen, davon über neun Millionen allein in Deutschland. Obwohl der Trend zu immer sparsameren Leuchtmitteln geht, liegt der Stromverbrauch bei etwa 60 Terrawattstunden- das mach so gut wie 2,5% des gesamten europäischen Stromverbrauchs aus. Nicht nur, dass die CO2 Emission gesenkt werden muss, oder in Deutschland fast ein Drittel des kommunalen Budgets für die Beleuchtung aufgewendet werden muss- schlimmer noch- ein Großteil davon leuchtet völlig Zweck- und Sinnlos!
Um das Problem zu lösen, hat die Forschungsgruppe um Herrn Prof. Dr. Jesser von der Hochschule Heilbronn, ein dezentrales System entwickelt, welches die Straßenlaternen nur aktiviert, wenn sie benötigt werden und welches sogar in der Lage ist, ihren „Nachbarn“ mitzuteilen, wann denn voraussichtlich auch ihnen „ein Licht aufgehen sollte“.
Besonders zeichnet sich dieses System durch die Dezentralität der Steuerung aus- bisher vorhandene Systeme mit ähnlicher Funktionalität werden meist von einem zentralen Rechner gesteuert, was die Systeme vergleichsweite aufwändig gestaltet; gezeigt haben derartige, zentralisierte Anlagen trotzdem eins: massive Energieeinsparungen sind möglich! Das Pilotprojekt „Sitraffic Concert“ und „VIA LUMEN“, welches von der Stadt Düsseldorf in Kooperation mit Siemens durchgeführt wurde, zeigte, dass sich der Energieverbrauch durch Bedarfsschaltung der Beleuchtung um 30% senken lässt [1].
Der dezentrale Aufbau der neuen Lösung ist gut aus dieser Abbildung ersichtlich: jede einzelne Gruppe- bestehend aus Lampe und Sensor, einem kleinen Prozessor, sowie einem Power Line Communication (kurz PLC) Modem- kommuniziert über das Stromnetz miteinander.

Um das gesetzte Ziel zu erreichen, wurde von Professor Jessers Gruppe ein Straßen- Miniatur- Modell erstellt, in dem Sensoren Bewegungen auf der Straße erkennen. Ein Computer, welcher die individuellen Straßenlaternen steuert, evaluiert und prozessiert die von den Sensoren erfassten Daten. Um den Aufwand für eine Umrüstung im Feld zu minimieren kommuniziert der Computer mit den Sensoren und den Laternen über PLC. Vorteil dieser Technik ist, dass diese bereits vorhandene Infrastruktur- eben die Stromleitungen, welche die Lampen versorgen- für die Kommunikation nutzen kann. Und sind wir mal ehrlich- wie oft kommt man in Gegenden, welche nicht durch Mobilfunknetze abgedeckt sind, in denen somit eine Kommunikation über diese unmöglich wäre?
Grundlegender Vorteil einer computerisierten Lösung ist, dass im Gegensatz zu „semi- dummen“ Systemen, bei denen das Licht nur durch einen einfachen Bewegungssensor aktiviert wird, die Möglichkeit, das Licht anhand verschiedenster Analysen zu steuern: herrscht viel Verkehr, ließen sich einfach alle Lampen permanent einschalten; bei wenig Verkehr besteht nicht nur die Möglichkeit nur die direkte Umgebung des Verkehrsteilnehmers zu illuminieren, sondern auch vorausplanend anhand von ermittelter Richtung und Geschwindigkeit des Fahrzeugs die Laternen im Voraus einzuschalten- dem Fahrer kommt es vor, als wäre die Straße komplett beleuchtet!

Kein Auto- alle Lampen aus (1). Kommt ein Fahrzeug und wird von einem Sensor erkannt (3), wird die Beleuchtung im Bereich des Fahrzeugs aktiviert; dank geeigneter Programmierung ist das System nun in der Lage, die Beleuchtung jeweils im Bereich des Fahrzeugs zu aktivieren- in diesem Beispiel jeweils eine Laterne vor und nach dem Fahrzeug.
Um das System realitätsnah im Modell zu erproben und sicherzustellen, dass trotz der vielfältigen Störungen im Stromnetz eine stabile Kommunikation zwischen den einzelnen Laternen über PLC möglich ist, wurde ein Modell einer Mittelstromleitung mittels äquivalenten Schaltungen aus Widerständen, Spulen und Kondensatoren gebaut- ein sogenanntes „Telegrapher´s“ Modell [2].

Dieser Laboraufbau simuliert im Modell die Abschwächung und Signalstörungen auf einer Stromleitung.
Jedes der 8 Boards auf der linken Seite (1) simuliert hierbei jeweils ca. 200m Netzleitung, wobei etwa alle „100m“ Abgriffe für verschiedene Messungen vorhanden sind (2). Die Schaltungen in der Mitte (3) sind Powerline Entwicklungskits von Texas Instruments (TMDSPLCKIT-V3) welche ermöglichen Versuche mit verschiedenen Signalmodulationen wie „frequency-shift keying“ (FSK), „spread frequency shift keying“ (S-FSK) oder „orthogonal frequency-division multiplexing“ (OFDM) durchzuführen. An jedem dieser Module ist- ganz wie auch später im Feld vorgesehen- ein eigener dezentraler Rechner, in diesem Fall ein Raspberry Pi (4), welcher die Signale der Sensoren (5) auswertet und die Laternen (6) für vorbeifahrende Fahrzeuge (6) intelligent ansteuert.

Der Laboraufbau hat ergeben, dass auf einer gängigen 230V Netzleitung, mit welcher Straßenlaternen normalerweise versorgt werden, das durchschnittliche Empfangssignal erst nach einer Distanz von etwa 1.5 Kilometern um 20 dBµV abfällt- in der Praxis bedeutet dies, dass bis zu dieser Distanz problemlos eine sichere Kommunikation mit geringer Datenrate möglich ist. Feldversuche konnten belegen, dass die im Experiment gewonnenen Daten sich mit der Realität decken.
Da die typische Entfernung von Straßenlaternen in Deutschland zwischen 30 und 60m liegt, steht somit dem Einsatz der Technik im Feld nichts im Wege- eine sichere und zuverlässige Kommunikation zwischen den einzelnen Gruppen ist möglich.
Inzwischen werden in verschiedenen Ländern, besonders in Dubai, vielversprechende Feldversuche mit diesem und ähnlichen Systeme durchgeführt; hoffen wir, dass sich diese Systeme immer mehr durchsetzen können und so große Mengen an Energie eingespart werden können!
Quellenangaben
[1] Siemens AG: “Control cabinets for “intelligent streetlighting”, 2013
[2] Cataliotti A., Daidone A., Sanacore G., Tinè, G.: “Characterization of Medium Voltage Cables for Power Line Communication”, IEEE Transactions on Power Delivery, 2009